L‘ entdeckt: Braunschweigs Klangstätten

Diese Tage schaffen verschiedene internationale Künstler Klangkunst in Braunschweig. Werke die Kunst und Klänge verschmelzen. Klangkunst ist eine intermediale Kunstform. Sie ist ein Zusammenspiel von Klang, von Raum, von Zeit und von Bewegung. Klänge, Geräusche, das ist alles wird verbunden mit anderen Medien.

Braunschweig. Ein paar Meter vom Zentrum findet man den Friedrich-Wilhelm-Platz. Knotenpunkt und sitz der Landesbank. Nur einen Steinwurf entfernt, die Bruchstraße, dem Zentrum des Rotlichtviertels. „Zwischen Puff und Kloster“, so ist der Titel der diesjährigen internationalen Klangkunst in Braunschweig. Sie führt einen von der gotischen Ägidienkirche bis vor die historischen Fachwerkhäuser der Bruchstraße.

Beeindruckend aber auch minimalistisch drücken sich die Künstler auf konfrontative Art wie auch kaum wahrnehmbare Weise aus: Wie im Innenhof-Kräutergarten eine Apotheke. Rund angelegt, von hohen roten Mauern umgeben. Saftige Grüne Kräuter stehen in der Mitte. Nah den Mauern sieht man drei große aus dem Boden ragende, metallene Lüftungsschächte.

Lüftungsschächte im Hinterhof

Im Hinterhof einer Stadtapotheke vermutet man wenig beeindruckendes. Beeindruckt ist man dann aber doch, entdeckt man einen wundervoll gepflegten Kräutergarten. Mehr oder weniger garniert mit Kunst. Kalter Stahl, Lüftungsschächte, typisches Bild eines jeden Wohnblock.

Heiko Wommelsdorf Installation spielt auf die vielen Hinterhöfe des Viertels an, die großen Klimaanlagen und Lüftungen hinter den Fassaden der Straßen, zwischen Puff und Kloster, vom Friedrich-Wilhelmplatz bis zum Kräutergarteninnenhof dieser Stadt-Apotheke. Aus den Lüftungsschächten der Installation sind wiederrum Aufnahmen von Lüftungsschächten zu hören, einfach aber wirkungsvoll. Dabei sind sie in der Tonhöhe so geändert worden, ein Dreiklang entsteht, ein Akkord wird vernommen. Fast wie ein Meeresrauschen steht man nun im verborgenen Innenhof, zwischen Kräutern und hohen Mauern.

Vorbei an einem Netz aus hunderten Papierblättern, hoch oben in den Bäumen und einem schnarchendem Brunnen kommt man zur Ägidienkirche. In Ihr verwirklicht Phillip Kullen eines der interessantesten und impulsivsten Werke. Der Berliner Künstler nennt sein Beitrag du den diesjährigen klangstaetten schlicht: „Klanginstallation mit zwei Gongs“.

Goldene Gongs in der Kirche

Eine eindrucksvolle Kirche, Säulen so hoch wie fünf oder sechs Stockwerke. Die Spitzen falten sich zu Kuppeln. Weiß-grauer Stein. Ein paar Schritte zur Mitte, vorbei an einem kleinen Meer aus Blumen um eine Marienstatue sieht man ihn, den Gong. Da thront dieser riesige goldene Gong am Ende des Saals, versteckt zwischen verzierten, weißen Säulen in zehn Metern Höhe.

Die Wahrnehmung von Klängen und Schwingungen als Weg zur Erforschung von Raum, Zeit und Geist ist zentrales Thema dieser Arbeit für die klangstetten 2012.

Der Künstler, Musiker und Komponist Phillip Kullen studierte in Kuba, New York, Spanien und Brasilien. Seit 2009 erforscht der diplomierte Berliner den kreativen Umgang mit Klang und Raum an der UdK Berlin. Seine Installation in der Aegidienkirche arbeitet mit zwei sich gegenüberstehen Gongs. Beide hoch wie ein Mensch. Ein Impuls aus Schwallwellen bringt den Gong zum Schwingen, ohne dass er angeschlagen wird. Dabei entwickelt der Gong neben seinem meditativen, basshaltigen Grundklang spezielle Obertöne. Je näher man dem vorderen Teil der Kirche kommt desto mehr fühlt man die Schwingungen der Töne. Man verweilt, automatisch. Gefesselt vom vibrierendem Bass. In dieser riesigen gotischen Kirche spürt man wie sich der Ton ausbreitet, wie er entsteht und wieder vergeht.

Schon im frühem Asien, 2000 vor Christus, waren mache Gongs heilig. Ihre Herstellung so aufwendig dass sie bis zu 150 Mal geschlagen und wieder ins Feuer gelegt werden musste. Eine Kunst sie herzustellen genauso wie sie hier in der Kirche zu spielen. Meditativ verschafft er ein Gefühl wie im Hier und Jetzt. Vergangenheit und Zukunft spielen für einen Moment keine Rolle.

Klangkunst Wochen

Neben den ständigen Installationen werden Workshops angeboten, Vorlesungen aber auch Führungen wie der Heartbreakers-Reunion-Tour. Inspiriert vom erscheinen des Walkmans, des Kopfhörer-Tragens in urbanen Gebieten entwickelte Damian Regbetz die Tour. In Kleingruppen und mit synchronisierten Mp3-Playern geht es auch hier durch die verwinkelten Gassen des Viertels.

Wer sich einen Überblick schaffen will kann dies ab Freitag. Im Braunschweigs Allgemeinen Konsumverein, Treffpunkt für Künstler ist die Ausstellungseröffnung von „Klang, Kunst, Schule“. Verschiedene Schülerarbeiten werden gezeigt, die an verschiedenen Schulen mit den Künstlern entstanden sind. Die Braunschweiger Klangstaetten 2012, ein kleine Welt, wenige Meter vom Zentrum, nur ein Steinwurf entfernt von der Landesbank.